Unser Kunststoffverbrauch steigt ständig an. Von ca. 14 Millionen Tonnen Verpackungen, die z.B. jährlich in Deutschland hergestellt werden, bestehen fast 40 % aus Kunststoff. 1,8 Millionen Tonnen davon sind kurzlebige Verpackungen, die nach dem Gebrauch praktisch sofort im Müll landen (z.B. Folien, Beutel, Tragetaschen, Säcke, Einwegbesteck und -geschirr).
Nachdem Kunststoffe in den meisten Fällen aus Erdöl hergestellt werden und dieser Rohstoff im Hinblick auf den Klimawandel bekanntermaßen problematisch ist, wird eifrig nach Alternativen gesucht, die die Rolle des erdölbasierten Kunststoffs übernehmen können, ohne aber die Umwelt und unser Klima derart zu belasten.
Und hier kommt Bio-Kunststoff als Lösungsansatz ins Spiel. Dessen Anteil am Gesamtvolumen des Kunststoffmarkts ist zwar weiterhin verschwindend gering (ca. 2,27 Millionen Tonnen weltweit im Vergleich zu ca. 335 Millionen Tonnen konventioneller Kunststoffe), steigt jedoch seit Jahren stetig an.
Doch sind Bio-Kunststoffe tatsächlich die Lösung all unserer Probleme? Was können sie, was können sie nicht?
Diesen Fragen wollen wir im folgenden Blogartikel auf den Grund gehen.
Beginnen wir mit den Basics ...
Wie wird Bio-Kunststoff definiert?
Die Bezeichnungen "Bio-Kunststoff" oder "Bio-Plastik" sorgen für relativ viel Verwirrung. Denn diese Begriffe unterliegen keiner einheitlichen Definition und können sich daher auf die verschiedensten Arten von Materialien beziehen.
Grob lassen sie sich in drei große Gruppen unterteilen:
- Biologisch abbaubare Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
- Biologisch abbaubare Kunststoffe auf fossilen Rohstoffen
- Nicht biologisch abbaubare Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
Dabei muss auch erwähnt werden, dass trotz des Zusatzes "Bio-" auch für die beiden Varianten aus nachwachsenden Rohstoffen nicht zwingend pflanzliche Materialien aus biologischem Anbau verwendet werden müssen. Dies kann, muss aber nicht der Fall sein - das pflanzliche Ausgangsmaterial kann genauso gut aus konventioneller Land- oder Forstwirtschaft stammen und / oder gentechnisch verändert sein.
Woraus besteht Bio-Kunststoff?
Für die Varianten aus nachwachsenden Rohstoffen werden hauptsächlich Mais oder Zuckerrohr eingesetzt, manchmal auch Ölsaaten oder Holz.
Biologisch abbaubare Kunststoffe können aus thermoplastischer Stärke, Cellulose, Polylactid (das Polymer der Milchsäure) oder abbaubaren Polyestern erzeugt werden. Letztere werden teilweise aus Erdöl hergestellt - daher sind biologisch abbaubare Bio-Kunststoffe wie oben erwähnt nicht zwingend frei von fossilen Rohstoffen.
Ist biologisch abbaubarer Bio-Kunststoff besser als nicht-abbaubarer?
Nicht unbedingt.
"Biologisch abbaubar" bedeutet nicht zwingend "kompostierbar". Momentan ist in den allermeisten Müllverwertungsanlagen dieser Welt eine Kompostierung von Bio-Kunststoff noch nicht vorgesehen. Bio-Kunststoffe würden einerseits eine viel längere Zeit als der normale Biomüll benötigen, um in den derzeitigen Rotteanlagen kompostiert werden zu können und tragen andererseits nichts (Gutes) zur Qualität des dadurch enthaltenen Komposts bei.
Daher wird Bio-Kunststoff in der Regel aus dem Bio-Müll aussortiert und verbrannt. Dies gilt übrigens auch für die biologisch abbaubaren Bio-Plastik-Sackerl (Sackerl = Tüte), die man dezidiert für die Bio-Müllsammlung verwenden und mit in die Biotonnen schmeißen darf (gilt für diejenigen, die nach EN 13432 oder EN 14995 als "kompostierbar" zertifiziert sind).
Zudem sind biologisch abbaubare Bio-Kunststoffe in der Regel nicht für Recycling geeignet, weil ihre Zusammensetzung von den Trennmaschinen der Müllanlage (derzeit noch) nicht erkannt und somit vom Recyclingprozess aussortiert wird.
Hinzu kommt, dass biologisch abbaubare Bio-Kunststoffe laut Umweltbundesamt weniger stabil und beständig und auch weniger geeignet für den Kontakt mit Lebensmitteln oder anderen sensiblen Produkten sein können als Verpackungen aus konventionellen oder biobasierten (aber nicht biologisch abbaubaren) Materialien.
Der Begriff "biologisch abbaubar" lässt sich also super zu Marketingzwecken einsetzen, bringt aber beim momentanen Stand der Technik nicht wirklich Vorteile: Die Verpackungen sind entgegen der landläufigen Meinung weder für den Gartenkompost noch für die industrielle Kompostierung wirklich sinnvoll zu verwenden, noch sind sie recyclebar, noch bieten sie andere vorteilhafte Eigenschaften im Vergleich mit alternativen Materialien.
Ist Bio-Kunststoff recyclebar?
Das ist momentan noch abhängig von ihrer chemischen Struktur - ist diese identisch zu der ihrer erdölbasierten Pendants, so können die Bio-Kunststoffe genauso recycled werden wie diese auch.
Unterscheidet sich die chemische Struktur von der gängiger in Verwendung befindlicher konventioneller Kunststoffe, so sind die Bio-Kunststoffe hingegen meist nur in der Theorie recyclebar. Sprich, es wäre theoretisch möglich, diese zu recyclen und wiederzuverwenden - aber nicht mit den derzeitigen Müllverwertungsanlagen. Heutige Sortieranlagen erkennen andersartige Kunststoffzusammensetzungen nicht und diese werden daher normalerweise aussortiert und verbrannt.
Wie sollte Bio-Kunststoff entsorgt werden?
Mit wenigen Ausnahmen (siehe oben - Plastiksackerl zertifiziert als "kompostierbar" nach EN 13432 oder EN 14995) definitiv NICHT im Biomüll.
Bio-Kunststoff muss genauso entsorgt werden wie seine konventionelle Pendants - also je nach genauer Art des Kunststoffs im Restmüll, in der gelben Tonne / dem gelben Sack oder bei einer Müllsammelstelle.
Ist es ok, (biologisch abbaubaren) Bio-Kunststoff einfach in der Natur liegen zu lassen? Wird ja eh abgebaut ...
Nein, auf keinen Fall! Auch Bio-Kunststoff gehört immer ordnungsgemäß entsorgt (siehe oben).
Nach jetzigem Wissenstand dauert es selbst bei biologisch abbaubaren Kunststoffen mehrere Monate, bis diese abgebaut werden. In dieser Zeit stellen sie - genauso wie ihre fossilen Pendants - ein Risiko für Mensch und Natur dar.
Ist Bio-Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen nachhaltiger als konventioneller Kunststoff?
Es kommt darauf an ... konventioneller Kunststoff verursacht in der Regel mehr Treibhausgase als Bio-Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen. Dafür benötigt der Anbau dieser Rohstoffe große Flächen und kann - je nach Art des Anbaus und je nachdem, welche Teile der Pflanzen konkret verwendet werden - zu einer verstärkten Versäuerung der Böden, einer Überdüngung oder der Konkurrenz zwischen Pflanzen als Nahrungsquelle und Pflanzen als Basis für Bio-Kunststoffe führen.
Ob Bio-Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen insgesamt also tatsächlich nachhaltiger ist als sein fossiles Pendant hängt hauptsächlich davon ab, wie nachhaltig der Anbau der verwendeten Rohstoffe gestaltet wird und ob Pflanzenteile verwendet werden, die andernfalls dem menschlichen Verzehr zugeführt werden würden, oder ob z.B. mit Ernteabfällen gearbeitet wird, die ohnehin nicht für die (menschliche) Ernährung geeignet wären.
Also ... Bio-Kunststoff ja oder nein?
Wenn wir all diese Informationen bedenken ... ist Bio-Kunststoff nun eine gute Alternative ... oder nicht?
Wir würden sagen, es kommt darauf an, wofür und in welchen Mengen er eingesetzt wird ... auch Bio-Kunststoff sollte - genauso wie konventioneller Kunststoff - nur dort eingesetzt werden, wo es wirklich sinnvoll und / oder wirklich notwendig ist. Für den hygienischen Schutz von Einweg-Medizinprodukten gibt es zum Beispiel noch kaum gangbare Alternativen. Auch bei Produkten, die wirklich lange benutzt werden, kann Kunststoff in der Umweltbilanz durchaus besser abschneiden als andere Materialien, die mit höherem Energie- oder Ressourcenaufwand produziert werden müssen. Manchmal ist Plastik aufgrund seiner Stabilität (es geht z.B. nicht zu Bruch, wenn es einem aus der Hand fällt) die bessere Alternative sein. In anderen Fällen wiederum sollen Gegenstände aus den verschiedensten Gründen möglichst leicht sein: z.B. Sandkasten-Schaufeln, mit denen Kinder spielen können sollen, ohne sich gegenseitig zu verletzen oder aber Verpackungen für Transportgüter - hier sind Kunststoffverpackungen im Vergleich mit Glas oder anderen schweren Materialien deutlich leichter und verringern so den Treibstoff- bzw. Energieverbrauch des Transportmittels. Es ist zum Beispiel nachgewiesen, dass Mehrwegsysteme nicht automatisch nachhaltiger sind als Einwegsysteme - dies hängt u.a. von den zurückgelegten Transportkilometern zwischen Einsammelstationen, Waschanlage, Produktionsstätte und Händlern ab.
Wenn Bio-Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen also fossilen Kunststoff in solchen Bereichen ersetzt, wo es momentan noch keine großflächig einsetzbaren besseren Alternativen gibt, so kann dies unter gewissen Umständen (wenn der Bio-Kunststoff z.B. auch recycelbar ist) als Schritt in die richtige Richtung gesehen werden.
Dient Bio-Kunststoff hingegen als "Greenwashing-Deckmäntelchen", um andere - nachhaltigere - Lösungen zu ersetzen, so ist dies natürlich nicht zu befürworten.
Allgemein ist auch zu sagen, dass bei aller (berechtigter!) Kritik an Bio-Kunststoff auch hier bedacht werden sollte, dass die Forschung nun einmal irgendwo anfangen muss, wenn sie bessere Lösungen für die Zukunft ersinnen will. Bio-Kunststoffe sind sicher noch weit davon entfernt, eine perfekte Alternative zu sein, aber wenn man die absolute Perfektion abwartet, bevor man neue Lösungsansätze auf den Markt bringt, geht nie etwas weiter.
Daher würden wir sagen, dass es sich mit dem Bio-Kunststoff ähnlich verhält wie mit Elektroautos: Beide stellen sicher nicht die alleinige und vermutlich auch nicht den Löwenanteil der Lösung unserer derzeitigen und zukünftigen Umweltproblematiken dar - aber sie können - vor allem, wenn weiter daran geforscht und immer wieder Verbesserungen angebracht werden - als kleines Puzzleteil eines gesamtheitlichen Umdenkprozesses ihren Beitrag zu einer verminderten Umweltbelastung leisten.
Nähere Infos zu den von uns verwendeten Cremetiegeln und der schwierigen Entscheidungsfindung, die ihrer Auswahl zugrunde liegt, findest du hier.
Quellen:
Chemie.de, "Biokunststoff"
Global 2000, "Was ist Bioplastik?"
WWF, "Bioplastik"
Umweltbundesamt, "Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe"
Fraunhofer Institut, "Biokunststoffe"
Arbeiterkammer Steiermark, "Ist Bioplastik das „bessere“ Plastik?"
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